Die Frage, warum wir alles elektrifizieren wollen, vom Bagger bis zum Scooter, ist durchaus berechtigt und macht in meinen Augen Sinn; es gibt aber doch ein paar grundsätzliche Probleme bei der unreflektierten Umstellung aller möglichen Prozesse auf Elektrizität und den unbegrenzten Einsatz aller möglicher Alternativen. Zum einen sollte sichergestellt sein, dass der eingesetzte Strom tatsächlich auch grün ist, denn nur das macht wirklich Sinn. Wie schon im Artikel über die Bahn geschrieben kann es nämlich sein, dass etwas mit Verbrennungsmotor weniger CO2 ausstößt als eine elektrische Variante. Der Strom Mix ist hier das Zauberwort. Erst wenn wir für die ganzen zu elektrifizieren den Dinge 100% Öko- oder „Grünen“ Strom einsetzen. Alles andere wäre eher kontraproduktiv. Daher ist es auch so schwierig, dass die Bahn eben noch nicht komplett mit Ökostrom fährt. Überspitzt gesagt fährt man derzeit also anscheinend bei der Bahn im Nahverkehrsverbund klimaneutraler, wenn man die Strecken mit Diesellok fährt.
Ein weiterer Stolperstein findet sich bei dem Ausdruck „Klimaneutral“: Klimaneutral bedeutet, dass die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung oder Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen entstehen, durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden1. CO2-frei hingegen bedeutet, dass bei der Herstellung oder Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen keine CO2-Emissionen entstehen1. Wenn man also „Klimaneutrale“ Dienstleistungen oder Produkte kauft, dann bedeutet das zusammengefasst, dass hier trotzdem CO2 entsteht.
Um noch die Stufe weiterzugehen, habe ich neulich in einer Diskussion die Aussage gehört, dass es sich nicht unerhebliches Greenwashing gibt, wenn ein Land wie Finnland sämtlichen per Wasserkraft erzeugen Strom nach Europa verkauft und selbst aber nuklear erzeugten Strom einsetzt. Richtig ist, dass Finnland nach wie vor in Kernkraft investiert und auch die AKWs weiter ausbaut. Dennoch sieht die Regierung hier eine Brückentechnologie, die über kurz oder lang auch weichen muss. Um den Umstieg aber sicher und CO2-neutral (!) zu gestalten, geht Finnland diesen Weg. Es muss an dieser Stelle auch kurz darauf hingewiesen werden, dass Finnland sich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern (hüstelDeutschlandhüstel) zumindest auch den Schritt geht, ein Endlager für atomare Abfälle zu schaffen2. Ob das das die Probleme mit der Atomenergie mindert, wage ich an dieser Stelle zu bezweifeln.
Und um es schließlich wieder zu uns zurückzuführen muss schließlich noch die Frage gestellt werden, wofür wir eigentlich elektrische Energie einsetzen möchten. Schlussendlich wird jedes System, das jetzt unnötigen Strom einsetzt einem derzeit noch begrenzten Stromsystem Energie entziehen. Mit dem Ziel auch die Industrie nachhaltiger zu machen, werden demnächst schon große Mengen Strom als Alternative zu Gas oder Kohle eingesetzt werden müssen. Dies beinhaltet zum Beispiel die Metallurgische Industrie, besonders deren Schmelzöfen, wenn diese auf Wasserstoff umgestellt werden. Dieser Wasserstoff, muss aber auch erzeugt werden, idealerweise bereits als grüner Wasserstoff. Dadurch wird elektrische Energie wieder zu einem begrenzenden Faktor. Nicht, dass wir uns auf einen Blackout vorbereiten sollten aber wir nun auch noch alles elektrifizieren, was wir finden, ist das ein gutes Beispiel für den Rebound-Effekt. Darüber hinaus hat die Regierung, allen voran die FDP die Idee, dass man die sogenannten e-Fuels nun auch noch weiter erzeugen und verbreiten muss. Ein Diskussionspapier des Fraunhofer ISI legt dabei nahe, was für eine unsinnige Idee das ist – auf multiplen Ebenen. Vor allem aber auch, weil hier der Wirkungsgrad nicht wirklich groß ist und wir die so aufwändig erzeugten e-Fuels (und die damit eingesetzte Energie) besser an Stellen einsetzen sollten, wo eine alternative gar nicht in Frage kommt.
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