Es ist schwerer als gedacht

Ich versuche jetzt schon mehr als sechs Monate nachhaltig zu leben und muss zugeben, dass es schwerer ist, als gedacht. Dabei liegt es nicht daran, dass es nicht möglich ist oder ungemein teuer, aber es ist, wie ich befürchtet hatte, eine kolossale Umstellung, die sehr mit Arbeit an den eigenen Gewohnheiten zu tun hat. Nachhaltigkeit sehe ich dabei nach wie vor nicht als optional, sondern als dringend notwendig. Doch trotzdem bleibt es auch für mich noch ein gutes Stück Arbeit. Nichts desto trotz sollte es eine „Ganz oder Garnicht“-Entscheidung sein. Ich werde, und das war mir klar, nicht sofort zu 100% nachhaltig sein. Es wird immer wieder Teile in meinem Leben geben, bei denen es keine einfache Lösung gibt und manchmal werde ich auch nicht nachhaltig handeln müssen. Das aber zu akzeptieren und daraus vielleicht sogar Verbesserungsvorschläge abzuleiten ist mein Vorsatz. Vor allem habe ich jetzt festgestellt, dass es sich auch als schwerer herausstellt „das Richtige“ zu tun. Es ist manchmal schlicht und ergreifend nicht wirklich klar, was „das Richtige“ ist.

Kleines Beispiel gefällig? Ich habe immer gedacht, dass ich etwas Gutes tue, wenn ich beim Einkaufen Papiertüten nehme statt der Plastiktüten. Allerdings habe ich jetzt gelesen (nämlich hier), dass man eine Papiertüte viermal benutzen muss, damit die Ökobilanz besser ist als bei einer Plastiktüte. Anscheinend ist das Grundproblem dabei (heißt es hier), dass für die Herstellung mehr Energie benötigt wird als für Kunststofftüten.

Hinzu kommt die deutlich höhere Belastung von Luft und Wasser durch Stickoxide, Schwefeldioxide und andere Chemikalien, mit denen die Zellstofffasern behandelt werden müssen.

Papiertüte oder Plastiktüte?: Wie umweltfreundlich sind Papiertüten? | Umweltkommissar | Experten-Tipps | Bayern 1 | Radio | BR.de

Dabei wird natürlich nicht berücksichtigt, dass eine Papiertüte nicht, wie eine Plastiktüte, noch nach Jahrzehnten die Umwelt belastet, sollte sie draußen verloren gehen. Aber dererlei Beispiele lassen sich noch viele finden. Die deutlich bessere Lösung ist daher, eine eigene Tasche mitzunehmen – bei mir mittlerweile eine Jutetasche.

Aber statt nur darauf rumzureiten, was alles geht oder eben nicht, gebe ich einfach mal meine Übersicht zum Besten:

In welchen Bereichen schaffe ich es nachhaltiger zu leben

Die niedrig hängenden Ziele hatte ich recht schnell umgesetzt. Dank der diversen Vergleichsportale im Internet war der Wechsel zu einem „Ökostromanbieter“ schnell und problemfrei möglich. Einen Gasanbieter zu finden, der sich auch einer klimaneutrale Versorgung mit Gas auf die Fahnen geschrieben hat, war ebenso einfach – leider komme ich durch eine Gastherme nicht ohne Gas aus. Bei meinem Anbieter wird automatisch das, was ich an Gas beziehe auch ausgeglichen. Das ist nicht ideal, aber ein guter Anfang.

Ich habe mittlerweile ein Konto bei einer nachhaltigen Bank, bei der ich auch gleichzeitig noch Regenwald wieder aufforste, wann immer ich meine Kreditkarte nutze. Und ich habe meinen Mobilfunk-Anbieter gewechselt zu einem, der sich ebenfalls der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Dabei wird darauf geachtet, dass die Energie, die unvermeidlich ist, klimaneutral ist – die Firma will unvermeidbare CO2-Emissionen auch wieder aus der Atmosphäre entziehen. Die Firma arbeitet stark nach nachhaltigen Gesichtspunkten und nutzt ihrerseits Dienstleister, die nachhaltig arbeiten. Aber auch die Tarife und Datennutzung, so der Anbieter, soll nachhaltig sein. Das bedeutet auch nachvollziehbar und nach europäischen/deutschen Gesetzen und Regeln.

Auch wenn es mir die Bahn nicht immer leicht macht, fahre ich mittlerweile mehr Zug. Ich fange an, es auch zu genießen, mich in die Bahn zu setzen und zu lesen oder Podcasts zu hören, zu schlafen oder einer anderen beliebigen Tätigkeit nachzugehen. Manchmal ist es allerdings dann auch die Suche nach Anschlusszügen. Was auch ziemlich gut funktioniert, ist mein geändertes Kaufverhalten. So kaufe ich häufiger unverpackte Dinge, gerne auch auf dem Markt, wenn ich glaube, dass die Leute selber anbauen. Auch habe ich mir angewöhnt, darauf zu achten, woher die Lebensmittel kommen. Da ich nicht auf alles verzichten kann und will, habe ich beschlossen, eine Art „Priorisierung“ der Herkunft zu machen. Aber dazu später mehr. Schlussendlich versuche ich dann noch darauf zu achten, dass die Produkte „bio“ sind. Leider ist aber genau das Bio auch schwierig, da es hier ja einige Siegel und Zertifikate gibt, die nicht alle wirklich zielführend sind.

Grundsätzlich bilde ich mir ein, dass ich meinen Konsum reduzieren konnte – denn das nachhaltigste im Bereich des Konsums ist tatsächlich der Verzicht: brauche ich wirklich, also wirklich das neuste Handy oder tut das alte noch seinen Job? Wie viele unterschiedliche Dinge in der Küche kann ich überhaupt sinnvoll nutzen? Brauche ich sie dann wirklich oder reicht es nicht, wenn ich sie mir dann bei einem Nachbarn leihe? Denn auch das habe ich angefangen: Nachbarschaftsnetzwerke zu nutzen, um ggf. mir Dinge zu leihen, die ich nicht ständig selber brauche.

Was noch nicht super läuft

Ein paar Dinge sind leider noch nicht ideal. So stelle ich fest, dass meine „Wertstofftonne“, also der Mülleimer für Kunststoff und Metallen, recht schnell voll wird. Grund sind leider immer noch vorherrschende Plastikverpackungen vor allem bei Lebensmitteleinkäufen. Vegane Butter und Käse werden häufig in Plastik verpackt, Haferdrink- und Salzbrezelverpackungen landen auch in der Fraktion. Auch die Priorisierung nach der Herkunft ist etwas, dass ich noch nicht als ideal ansehe. Obst und Gemüse, die ich nicht aus der Region kriege und auf das ich nicht verzichten möchte, versuche ich dann zumindest aus Europa zu kaufen. Das ist mit Blick auf die langen Transportwege und die auch in Europa manchmal katastrophalen Anbaubedingungen wie gesagt nicht ideal und nur semi-nachhaltig. Trotzdem ist es für mich derzeit in meiner Transitionsphase eine gute Übergangslösung – die auch auf gar keinen Fall eine Dauerlösung ist.

Bei den Einkäufen, die nicht Lebensmittel sind, kaufe ich meiner Meinung nach noch zu selten gebraucht oder nachhaltig. Grade in Karlsruhe gibt es ein breites Angebot an Second-Hand-Läden. Diese Geschäfte haben schon vor Jahren das leicht angestaubte und abgegriffene Image eines Flohmarkt-Verkaufs abgelegt und präsentieren sich wie ein ganz normales Geschäft. Grade Klamotten kann man so gut kaufen (und alte Sachen dort abgeben). Aber auch Technik muss nicht mehr die aller neuste sein und ein Vorjahresmodel des Handys oder ein Fernseher aus dem vorletzten Jahr kann trotzdem allen Ansprüchen genügen – wenn es denn unbedingt neu angeschafft werden muss, weil das alte Gerät defekt und nicht reparabel ist.

Ein letzter Punkt, bei dem ich für mich noch Verbesserungspotential sehe ist meine Nutzung des Autos. Trotz der häufigen Bahnfahrten bei längeren Strecken erwische ich mich dabei, das Auto bei Kurzstrecken zu nutzen, einfach weil es einfacher ist. Wenn ich abends zum Sport fahre, rede ich mir ein, dass ich danach zu kaputt bin, um Bahn zu fahren. Was natürlich quatsch ist. Und den längeren Weg zur Arbeit in der Straßenbahn kann ich auch eigentlich super nutzen, um schon einmal durch die Mails durchzuschauen. Häufig ist es ein Thema der schlechten Planung, dass ich z.B. zu knapp dran bin und schnell zur Arbeit muss oder ein Anschlusstermin schlecht eingeplant ist. Da werde ich zukünftig noch dran arbeiten müssen.

Worauf kann und will ich nicht verzichten

Es gibt trotz aller Bemühungen ein paar Dinge, die ich nach wie vor nicht missen möchte und die ich auch zukünftig weiter wahrnehmen will. Zum Beispiel liebe ich es, ins Kino zu gehen – leider ist das nicht sehr nachhaltig, denke ich zumindest. Aber ich verstehe auch nicht, warum die Lichtspielhäuser nicht schon längst auf „grünen Strom“ umgestellt haben, faires Öko-Popcorn und ein paar bessere Snack-Produkte anbieten. Wahrscheinlich weil die damit einhergehende Preiserhöhung sie in den Abgrund stoßen würden… Aber zumindest mal einen Angang machen mit Strom und einem Bio-Parallelangebot bei den Snack?

Meine nächste große Leidenschaft sind Comics und Computerspiele. Bei beiden sehe ich keine große Möglichkeiten, sie in absehbarer Zeit nachhaltig zu gestalten. Comics verbrauchen bei Druck und Auslieferung Ressourcen und PC-Spiele machen ein Wiedergabegerät (und seine Ressourcen) notwendig – ebenso wie das Pressen und Vertreiben wieder Ressourcen benötigt. Beides kann man mittlerweile auch voll digital tun – aber sind damit Ressourceneinsparungen verbunden? Ich befürchte nicht, da die entsprechenden Server-Farmen ja nicht mit Luft und Liebe laufen.

Schließlich koche ich gerne auch etwas ausgefallenere Sachen, weil ich die verschiedenen Küchen dieser Welt sehr schätze- Dabei muss ich entsprechend manchmal auf Zutaten zurückgreifen, die nicht in Deutschland wachsen. Ich versuche solche Dinge mittlerweile zu reduzieren oder zumindest darauf zu achten, dass sie dann biologisch und fair erzeugt und gehandelt wurden. Aber hier sehe ich ganz klar einen Punkt, bei dem eine Umgewöhnung dringend nötig wäre.

Ich hoffe, ich konnte zeigen, dass es nicht ein einfacher oder schneller Prozess ist – ich glaube nach wie vor, dass es aber wichtig ist, zumindest mal anzufangen. Schreibt mir gerne in die Kommentare, wenn Ihr Tipps habt – oder Anmerkungen.

3 Kommentare

  1. Hey Christian!
    Ein toller Bericht!
    Genau so ist es mir auch ergangen. Ich habe schon vor ein paar Jahren angefangen nachhaltiger zu leben, aber kurz nachdem ich angefangen hatte, ist mir der ganze Kram ganz schön über den Kopf gewachsen, weil ich zu viel auf einmal wollte und – wie du schon sagtest – es gar nicht immer klar ist, welche Variante nachhaltiger ist.
    Mir persönlich war Mikroplastik immer ein großer Dorn im Auge. Wenn man wirklich mikroplastikfrei leben will, muss man vor allem bei Kosmetikprodukten haufenweise Zutaten-Namen lernen, denn es gibt zig verschiedene Arten und Formen von Kunststoff, die in einem Produkt enthalten sein können. Solche Zutaten-Listen zu lesen ist wie Fremdsprachen-Vokabeln pauken…
    Aber bei Kosmetik hört’s nicht auf: Denn u.A. das Waschen von kunststoffhaltiger Kleidung setzt ja auch noch Mikroplastik frei…
    Was Mobilität betrifft bin ich mittlerweile recht zufrieden:
    Ich habe kein Auto und nutze hauptsächlich mein Pedelec (auch für Fahrten bis zu 30km). Wenn ich mal keine Lust habe oder das Wetter richtig übel ist, dann fahre ich Bus und Bahn. In seltenen Fällen, wenn ich wirklich mal flexibel sein will, leihe ich mir ein Auto von Verwandten oder Bekannten. Für meine alltäglichen Strecken & Einkäufe benötige ich jedoch kein Auto.
    Da Ernährung auch großen Einfluss auf die Umwelt hat, bin ich hauptsächlich Regional-Bio-Vegetarisch-Esser.
    Super, dass du so ehrlich teilst wie schwer dir die Umstellung fällt.
    Ich finde, es wird Verbrauchern auch nicht wirklich einfach gemacht und dazu ist es am Anfang ein riesiger Aufwand. Überall (besonders in Film und Werbung) wird einem Verschwendung vorgelebt und angepriesen… Das kann es einem oft noch schwerer machen.
    Ist die Umstellung erstmal größtenteils geschafft, sieht die Sache viel entspannter aus.

      1. Tja, ich fürchte, dass die meisten großen Konzerne da eher Greenwashing betreiben als alles andere. Aber immerhin rückt das Thema „Nachhaltigkeit“ insgesamt immer mehr in den Vordergrund und ich bemerke sogar in meinem familiären Kreis langsam Bestrebungen etwas ändern zu wollen.
        Daher: Die Hoffnung stirbt zuletzt! 🙂

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